Bericht von Jan Ledóchowski
Krieg, mitten in Europa, Städte, in Schutt und Asche, Millionen von Flüchtlingen, zumeist Frauen und Kinder – wer hätte das noch vor einem Monat wirklich für möglich gehalten? Gewiss, Wladimir Putin hat aus seinen Ansichten und seiner „Vision“ über die Ukraine kein Geheimnis gemacht. Ganz offen hat er in seinem Essay „Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern“ der Ukraine das Recht auf eine unabhängige Staatlichkeit, ja sogar die nationale und kulturelle Existenz unabhängig von Moskau abgesprochen. Im Rückblick müssen wir zumindest in Westeuropa zerknirscht zur Kenntnis nehmen, nicht erkannt zu haben, welchen längst vergangen geglaubten Denkmustern der Präsident der russischen Föderation verhaftet bleibt.
Was können wir also in Österreich tun? Es ist auf jeden Fall sehr positiv, dass die Bundesregierung in engster Abstimmung mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten die umfassendsten Sanktionen gegen Russland mitträgt. Doch am meisten geschieht auf kultureller Ebene bzw. in den Herzen der Menschen. Aufgerüttelt aus einem Traum, dass Friede und Freiheit der Normalzustand seien, haben in ganz Europa hunderte Millionen von Menschen ihr Herz für die unschuldigen ukrainischen Opfer geöffnet und dieses Land hoffentlich ein für alle Mal in die Mitte Europas geholt. Allein in Polen befinden sich in der Zwischenzeit mehrere Millionen Ukrainer, zumeist Frauen und Kinder. Auch in Österreich haben unzählige Menschen, Kirchen, Gemeinden und Vereine ihre Heime und Börsen geöffnet, um Vertriebene aufzunehmen und hier oder vor Ort zu unterstützen. Auch ich habe, auf einen ersten Impuls von Gemeinderätin Caroline Hungerländer, Sachspenden zur Sammelstelle der Hilfsaktion des Johannes-Paul II Gebetskreises in der polnischen Kirche (organisiert von Agata Wisniowska) am Rennweg gebracht.
Schnell wurde uns allen aber klar, dass solche spontanen Hilfsleistungen nicht ausreichen werden angesichts eines Krieges dieser Größenordnung. Deshalb haben wir versucht das Hilfsangebot christlicher Hilfsaktionen auf der Webseite der Plattform Christdemokratie gesammelt darzustellen. Das haben wir vor allem aus zwei Gründen getan. Erstens, weil es eine Aufgabe der Plattform Christdemokratie ist, das zivilgesellschaftliche Engagement der Christen in Österreich nicht nur zu fördern, sondern auch dessen Ausmaß zu verdeutlichen. Zweitens, weil ich zutiefst der Überzeugung bin, dass kaum jemand so gut vor Ort Hilfe leisten kann, wie kirchliche Einrichtungen mit lokalen Infrastrukturen und Verwurzelungen. Das gilt für die Hilfe hier in Österreich, wo unzählige vertriebene Familien über Pfarren und Gemeinden Unterkunft bei Familien gefunden haben, das gilt aber vielmehr noch für die Hilfe in der Ukraine.
Um uns davon auch persönlich ein Bild zu machen, sind Caroline Hungerländer und ich vollbepackt mit Hilfsgütern zur Pfarre St. Nepomuk in Susiec an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgebrochen. Zuvor habe ich in einem Spendenaufruf um finanzielle Mittel für Stromgeneratoren gebeten, da diese in der Ukraine ganz besonders benötigt werden. Innerhalb von 2 Tagen kamen ca. 15.000 Euro zusammen, sodass wir meinen Family-Van mit 9 Generatoren beladen konnten. In Susiec lernten wir Pfarrer Andrzej kennen, dessen Pfarre sich zu einem Umschlagsplatz ukrainischer Hilfsgüter verwandelt hat. Wir waren zutiefst beeindruckt, mit welcher Effizienz die Pfarre die so dringend benötigten Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Gerätschaften etc. in Kleintransporter umgeladen und sofort in die Ukraine verschafft hat. Unmittelbar nach der Grenze wurden die Hilfsgüter wiederum in ukrainische Transporter der Caritas Lemberg umgeladen. Dort durften wir auch Pater Oleg kennenlernen, der diese Aktion von der ukrainischen Seite aus koordiniert. Als Militärseelsorger steht er im besten Einvernehmen mit der Grenzwachmannschaft, was einen Grenzübertritt ohne Formalitäten ermöglicht. Zudem gelingt es ihm die Hilfsgüter auch in schwer umkämpfte Regionen und Städte, wie etwa Mariupol, zu bringen.
Nach unserer Rückkehr haben wir begonnen nach Partnern bzw. weiteren Unterstützern der Arbeit von Pater Andrzej und Pater Oleg zu suchen. Wichtig ist, dass die Hilfe nicht aufhört, denn die Menschen beginnen zu hungern. In weiterer Folge ist NRAbg Norbert Sieber mit einem vollbeladenen Sattelschlepper aus Vorarlberg nach Susiec gereist und weitere werden folgen. Das Zentrum Johannes-Paul II in Wien ist eine Partnerschaft mit der Pfarre St. Nepomuk eingegangen und wird nun regelmäßig Hilfsgüter liefern und vertriebenen Ukrainern eine Unterkunft in Österreich und darüber hinaus organisieren. Wer mithelfen will, kann sich ganz leicht online informieren. Auch die Hilfsaktion des Johannes-Paul II Gebetskreises läuft weiter. Durch den laufenden Austausch mit Pfarrer Andrzej wissen wir genau, was gerade benötigt wird: Schutzwesten für die Fahrten in den Osten, Babykleidung, Stromaggregate und vor allem Lebensmittel!
Es ist vielleicht nur ein Tropfen Wasser am heißen Stein, aber auch dieser Tropfen bringt Linderung und Trost und letztlich sind wir nur für unser eigenes Tun oder nicht-Tun verantwortlich.